Linke Parteien in Österreich Wahlkampf
SPÖ-Chef Andreas Babler bedeutet auch für die linken Kleinparteien eine neue Herausforderung.
APA/GEORG HOCHMUTH

Kaum hatte die SPÖ über ihren künftigen Vorsitzenden abgestimmt, da hatten die Kommunisten schon ein lockendes Angebot für enttäuschte Sozialdemokraten parat. Wer linke Politik wolle, sich mit dem neuen SPÖ-Chef nun aber in der "falschen Partei" wähne, der möge doch schleunigst zur KPÖ wechseln. Das auf Social Media verbreitete Werbesujet der KPÖ schloss mit einer geradezu vereinnahmenden Geste in Richtung der Genossinnen und Genossen am linken SPÖ-Flügel: "Bei uns bist du richtig."

Zugetragen hat sich diese Aktion Ende Mai dieses Jahres. Damals sah alles danach aus, als ob Hans Peter Doskozil nach seinem Sieg bei der Mitgliederbefragung die SPÖ anführen und die Partei zumindest atmosphärisch ein Stück nach rechts rücken würde. Es sollte dann bekanntlich anders kommen. Spätestens seit der breiten Zustimmung für Andreas Babler beim Parteitag am vergangenen Wochenende zeichnet sich ab, dass die SPÖ mit einem prononciert linken Kurs auf die Nationalratswahl im kommenden Herbst zusteuert.

Feurige Plädoyers für eine höhere Besteuerung der Reichen und rigorose staatliche Markteingriffe, Kritik am Kapitalismus und an der Macht der Konzerne: Wer daran Geschmack findet, wird von Bablers Reden gut bedient. Sogar einem Flirt mit dem Marxismus ist der neue SPÖ-Chef nicht abgeneigt. Stellt sich die Frage: Ist im nahenden Wahljahr links neben der SPÖ – und den Grünen – noch genug Platz für andere Kräfte?

Höhenflug nach Salzburg-Erfolg

Bei der bundesweiten Wahl 2019 ist die KPÖ mit gerade einmal 0,7 Prozent krachend an der Vierprozenthürde für den Nationalrat gescheitert. Eine Überraschung war das nicht, die kommunistische Gründerpartei der Zweiten Republik hat es in den vergangenen sechs Jahrzehnten davor auch nicht geschafft – seit dem Jahr 1959 ist sie aus dem Nationalrat draußen. Trotzdem ist die Hoffnung der Dunkelroten groß, dass es diesmal gelingen wird, das war bei der Parteikonferenz Anfang November zu spüren. Da hat die KPÖ ihren Antritt und ihren Spitzenkandidaten Tobias Schweiger bekanntgegeben, wobei streng genommen vor einem Antritt noch die nötigen Unterschriften gesammelt werden müssen.

Die Hoffnung stützt sich vor allem auf die jüngsten Erfolge in der Steiermark und in Salzburg. Im Grazer Rathaus sitzt mit Elke Kahr seit zwei Jahren eine kommunistische Bürgermeisterin, und bei der Landtagswahl in Salzburg sprang die KPÖ mit Kay-Michael Dankl von null auf zwölf Prozent. Das war Ende April diesen Jahres. Und damals setzte die KPÖ auch in den bundesweiten Umfragen zu einem Höhenflug an, sie landete teilweise bei sechs bis sieben Prozent. Seit der Etablierung von Babler an der SPÖ-Spitze sind Umfragewerte allerdings wieder auf rund drei Prozent gesunken – woraus sich freilich nicht ableiten lässt, dass beides ursächlich miteinander zu tun hat.

Wer schadet wem?

Man könne nicht pauschal sagen, ob ein als links wahrgenommener SPÖ-Kurs der KPÖ in der Wählergunst schaden werde, befindet der Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik. Auf theoretischer Ebene sei solch ein Zusammenhang zwar naheliegend, doch gebe es für klare Feststellungen in Österreich schlicht zu wenig Informationen über KPÖ-Sympathisanten, da die Partei bei Wahlen bisher kaum eine Rolle spielte.

"Es könnte umgekehrt einer Partei am Rand sogar nutzen, wenn sich eine Mainstream-Partei ihren Inhalten annähert, weil das die Legitimität ihrer Position aufwertet", erklärt der Experte. Das gelte aber eher für greifbare gesellschaftliche Anliegen und weniger für die rund um Bablers Kür entbrannte Marxismus-Diskussion, die für die meisten Menschen mangels Vertrautheit mit dem philosophischen Begriff wohl "ein bisserl wurscht" sei, wie Ennser-Jedenastik formuliert.

standard

Doch selbst wenn die KPÖ bundesweit reüssiert: Geht das nicht bloß zulasten von SPÖ und Grünen, sodass das Lager links der Mitte im Endeffekt gleich groß bleibt und sich die Wählerschaft eben auf drei Parteien zersplittert? Spitzenkandidat Tobias Schweiger argumentiert im STANDARD-Gespräch gegen diese These: "Ich gehe davon aus, dass ein großer Teil unserer Wählerinnen und Wähler nicht per se links der Mitte angesiedelt ist. Dort, wo wir erfolgreich sind, konnten wir viele Menschen gewinnen, die sonst FPÖ oder gar nicht gewählt haben." Das seien einfach "Menschen, die es im Leben schwer haben". Tatsächlich übertraf der KPÖ-Zuwachs bei der Salzburger Wahl mit zwölf Prozent den Verlust von Rot und Grün deutlich, die gemeinsam drei Prozent verloren.

Hürden für den Einzug

Politikwissenschafter Ennser-Jedenastik warnt allerdings vor spekulativen Schlüssen. Die geschätzten Wählerströme, wonach in Salzburg ein Drittel der KPÖ-Stimmen von FPÖ, ÖVP und Nichtwählern kam, ließen sich nicht notwendigerweise auf andere Wahlgänge umlegen. Politische Frustration entlade sich üblicherweise an bestimmten Themen, und da seien die Angebote von FPÖ und KPÖ zu stark entgegengesetzt, um einen regen Wähleraustausch von ganz rechts nach ganz links wahrscheinlich zu machen.

Die größte Herausforderung für eine neue linke Kraft werde darin bestehen, im kommenden Jahr genügend Aufmerksamkeit für eine positive Erwartungsdynamik zu erzeugen, sagt der Professor. Sobald in der öffentlichen Wahrnehmung ein Scheitern an der Vierprozenthürde droht, könnten sonst viele aus taktischen Motiven doch wieder ihr Kreuz bei einer etablierten Partei machen.

Linksparteien Chefs
Die linken Kleinparteien stellen sich unterschiedlich auf das Wahljahr ein. Links im Bild von vorn nach hinten: Tobias Schweiger (KPÖ), Anna Svec (Links), Dominik Wlazny (Bierpartei), Fayad Mulla (Wandel).
Fotos: APA/Hochmuth, Corn, Hendrich, Fischer / Illustration: STANDARD/ Fatih Aydogdu

Wiener Liste hofft auf Allianz

Wichtig wird auch sein, ob die KPÖ andere Kleinparteien im notorisch zerstrittenen linken Spektrum an Bord holen kann, um für die Wahl zu mobilisieren. Mit der in zahlreichen Wiener Bezirksparlamenten vertretenen Liste "Links", die schon bei der Wien-Wahl mit der KPÖ kooperiert hat, sind die Verhandlungen über eine Allianz schon recht weit gediehen, das bestätigen beide Parteien dem STANDARD. Laut KPÖ wird die Kandidatur definitiv unter dem eigenen Namen laufen, während Links-Chefin Anna Svec die Namensfrage noch nicht geklärt sieht, jedoch betont: "Daran wird es nicht scheitern."

Svec kündigt an, dass sie auch selbst auf der gemeinsamen Liste kandidieren will, über den Mechanismus der Reihungen wird derzeit noch verhandelt. Die Links-Chefin freut sich zwar, dass mit Babler nun ein "progressiver" Politiker die SPÖ führe, aber: "Die Strukturen der SPÖ sind dadurch nicht linker geworden." Sie ortet daher immer noch genügend Platz für eine "antikapitalistische und antirassistische Kraft, die politische Veränderungen von unten erkämpft".

Unstimmigkeiten zwischen Aktivistinnen und Aktivisten innerhalb des Wiener Bündnisses gab es in der Vergangenheit aufgrund Russland-affiner Positionen in manchen KPÖ-Kreisen. Dazu sagt Svec: "Wir sind zwei verschiedene Parteien, trotzdem gibt es genug gemeinsame Positionen, um konstruktiv zusammenzuarbeiten."

Wandel und Bier

Bei "Wandel" klingt das nicht so. Im Jahr 2019 erreichte die Partei bei der Nationalratswahl 0,5 Prozent – also fast so viel wie die Kommunisten. Wandel-Chef Fayad Mulla, der im Sommer mit der New York Times grobe Menschenrechtsverletzungen der griechischen Küstenwache aufdeckte, attackiert die KPÖ heftig. Die Partei sei strukturell intransparent und durchsetzt von "Putin-Verstehern", sagt Mulla.

Positive Worte hat er hingegen für Bablers SPÖ-Linie übrig: "Hätte die SPÖ vor zehn Jahren ihre Arbeit gemacht, hätten wir den Wandel nicht gegründet. Es ist jetzt das erste Mal, dass es mit der SPÖ in die richtige Richtung geht." Mulla kann sich daher eine – wohl asymmetrische – Kooperation mit der SPÖ vorstellen, zugleich bestehe weiterhin die Option eines neuerlichen Alleinantritts: "Wir wollen definitiv wieder zur Nationalratswahl kandidieren."

Wie es mit der Bierpartei weitergeht, die man ebenfalls dem eher linken Spektrum zurechnen kann, ist fraglich. Parteichef Dominik Wlazny alias Marco Pogo erreichte bei der Bundespräsidentenwahl als Drittplatzierter mit acht Prozent der Stimmen einen beachtlichen Erfolg und hätte laut Umfragen auch Chancen auf einen Einzug ins Parlament. Eine Sprecherin der Bierpartei wollte auf STANDARD-Anfrage zunächst nicht beantworten, ob es derzeit Bündnisgespräche mit anderen Parteien gibt. Nach Erscheinen dieses Artikels stellte Parteichef Wlazny klar, dass er keine Bündnisgespräche führe. Möglich sei ein alleiniges Antreten der Bierpartei bei kommenden Wahlen. (Theo Anders, 16.11.2023)